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In China ist Allah eher klein

von Verena Nowotny

Die Moschee in der Fuyou Straße in der Nähe des Yü-Gartens in der Shanghaier Altstadt ist im Trubel der Straßenhändler und Touristenscharen leicht zu übersehen. Ein paar Menschen hurteln im Innenhof hin und her, Teller mit dampfenden Speisen tragend. Es ist Freitag Mittag und langsam tröpfeln die Teilnehmer des Freitagsgebets ein. Zufällige Besucher, die aus Neugier und Interesse in die Moschee schauen, werden mit einem freundlichen Nicken wahrgenommen.

Die Fuyou-Moschee wurde bereits 1870 in der Zeit der Tongzhi-Restauration errichtet, als im Namen des damals amtierenden minderjährigen Kaisers Tongzhi (aber eigentlich initiiert durch die de facto-Regentin Cixi) der Qing-Dynastie das Studium ausländischer Kulturen, Sprachen und Technologien gefördert wurde, um die Entwicklung und Industrialisierung Chinas voranzutreiben. Es waren Chinesen der Hui-Minorität aus Nanjing, die sich damals in diesem Stadtteil ansiedelten und als Islamisten naturgemäß den Bau einer Moschee vorantrieben.

Heute leben etwas über zehn Millionen Hui-Chinesen in China, die im 7. Jahrhundert vor allem aus dem arabischen Raum und Persien hierher kamen. Hui erkennt man vor allem am islamischen Glauben; abgesehen von der religiösen Ausrichtung - und damit verbunden anderen Traditionen und Feiertagen - sind sie jedoch von Han-Chinesen kaum unterscheidbar. Damit sind sie eine Ausnahme innerhalb der 56 anerkannten Minderheiten in China, da sie sich über keinen speziellen Dialekt bzw. eine eigene Sprache definieren.

Wir - eine kleine Gruppe aus Europäern und Chinesen - sitzen im Büro von Min (Name geändert) in der Nähe des Shanghaier Bundes und unterhalten uns über das Leben. Min ist eine Hui - im Gespräch versuchen wir zu erfahren, wie sich das Leben als Angehörige dieser religiösen Minderheit in China abspielt. Auch wenn Min nicht regelmäßig zum Gebet in die Moschee geht, empfindet sie ihre Zugehörigkeit zur Hui-Minorität durchaus als wesentlichen Teil ihrer Identität. Sie träumt davon, auch einmal die Reise nach Mekka zu machen, die jedes Jahr landesweit organisiert wird. Mit diesem Wunsch bestätigt Min einen generellen Trend in China: die vermehrte Suche nach Spiritualität, die nun schon seit einigen Jahren in China spürbar ist.

Unsere chinesischen Gesprächspartner führen diese Glaubenssuche auf mehrere Ursachen zurück: die eher einseitige Ausrichtung der Gesellschaft auf materielle Errungenschaften, das nach wie vor harte Leben für eine Vielzahl von Menschen, aber eben auch die Zugehörigkeit bzw. die Sympathie für Minderheiten und ihre Traditionen werden als Motive für die Auseinandersetzung mit monotheistischen Glaubensrichtungen (Christentum, Islam) bzw. mit asiatischen Religionen (vor allem Buddhismus) angeführt.

Seitens der chinesischen Regierung erfahren Hui-Muslime derzeit keine Einschränkung in der Ausübung ihres Glaubens. Selbst nach dem Attentat Anfang März 2014 in Kunming in der südchinesischen Provinz Yünnan, bei dem 33 Menschen von Angreifern mit Messern getötet wurden, verlautbarte das offizielle China sehr rasch, dass die Chinesen - auch wenn die Bluttat Uiguren aus der nordwestlichen Provinz Xinjiang angelastet wurde -
Muslimen nicht generell mit Misstrauen gegenübertreten sollten. Anders sieht es eben in besagter Provinz Xinjiang aus: bei Auseinandersetzungen zwischen Han-Chinesen und Uiguren ist oft schwer zuordenbar, ob es sich um ethnische Konflikte handelt oder auch um religiöse.

Das war nicht immer so. Die Xiao Taoyuan-Moschee in Shanghai, die 2010 vor der Expo renoviert wurde, musste nach der Kulturrevolution auch viele Artefakte erneuern, die in dieser Zeit zerstört worden waren. Heute schmiegt sich die Moschee in ein noch traditionelles Shikumen-Viertel, ein Schild auf der Fuxing West Road weist den Weg. Zwei Häuser weiter befindet sich die 1933 errichtete Nuxingzhenshi-Moschee, eine unabhängige Moschee für Frauen - eine Rarität nicht nur in Asien. Sie bot und bietet Musliminnen einen Raum zu studieren, zu beten oder zu arbeiten. Nachdem Frauen nicht am Freitagsgebet teilnehmen müssen, werden die Predigten per Lautsprecher von der benachbarten Xiao Taoyuan-Moschee übertragen.


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